Globale
Neurologie
im Zentrum für Globale Gesundheit
Die Arbeitsgruppe (AG) Globale Neurologie ist Teil des Zentrums für Globale Gesundheit und beschäftigt sich mit dem Vorkommen neurologischer Erkrankungen in strukturschwachen Gebieten, speziell in Sub-Sahara Afrika (SSA). In diesen Gebieten gibt es die höchste Prävalenz zerebraler Infektionen wie z.B. zerebrale Malaria, Meningitis und parasitäre Erkrankungen, ebenso von Epilepsie. Zudem nehmen die Fälle neurovaskulärer und neurodegenerativer Erkrankungen stark zu. Die Erforschung der Prävalenz und anderer epidemiologischer Aspekte neurologischer Erkrankungen sowie die Beobachtung des Verlaufs und das Ansprechen auf therapeutische Maßnahmen stehen im Mittelpunkt der Forschungsprojekte. Gewonnene Erkenntnisse sind auch für neurologische Erkrankungen in Ländern mit höherem Einkommen von Bedeutung.
Schwerpunkte der AG für Globale Neurologie
- Neuroinfektiologie im Kontext von vernachlässigten Tropenerkrankungen (NTDs), vor allem parasitäre Erkrankungen, wie die Neurozystizerkose (Taenia solium = Schweinebandwurm) und die Neuroonchozerkose (chronische Infektion mit Filarien)
- Epileptologie bei Erwachsenen und Kindern in SSA
- Head Nodding Syndrom bei Kindern in SSA
- Global Neurologie mit neurodegenerativem Schwerpunkt
- Globale Neurologie und sozialwissenschaftliche Aspekte
- Globale Neurologie und One Health
- Globale Neurologie und digitale Gesundheit
- The Lancet One Health Commission und die COVID-19 One Health Research Coalition
- The Global COVID-19 Neuro Research Coalition
Leiter
- Prof. Dr. Dr. Andrea S. Winkler
Mitarbeiter
- Sarbani Chakraborty (External Advisor)
- Jack Fisher (External Doctoral Candidate, Faculty of Sport and Health Sciences and Center for Global Health)
- Beruchiya Hannah Hutagalung (Health Science Intern)
- Isabelle Lange (Social Sciences PostDoc)
- Anna Mastag (Health Science Intern)
- Lisa Sophie Reigl (PhD Student / Research Associate)
- Laura Franziska Roth (International Project Manager / Research Associate)
- Henrik Sadlowski (Data Scientist / Digital Health Specialist)
- Mara Scherner (Research Associate)
- Sera Senturk (Scientific Researcher)
- Alice Sinkeet (PhD Student / Research Associate)
- Dianne Verhoeven (PhD Student / Research Associate)
- Kim Laura Weiszhar (International Project Manager / Research Associate)
- Tamara Welte (Resident Neurology / Epileptology)
Neurologische Erkrankungen sind weltweit die Hauptursache für Morbidität und die zweithäufigste Todesursache (Global Burden of Disease Study). Die Krankheitslast liegt hierbei bei Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen (LMICs). Viele Gesundheitssysteme in den LMICs sind den ansteigenden neurologischen Erkrankungen nicht gewachsen. Am 12. November verabschiedete die Weltgesundheitsorganisation eine Resolution über "Globale Maßnahmen zur Epilepsie und anderen neurologischen Erkrankungen", in der sie ihre Mitgliedstaaten auffordert, "integrierte (multisektorale) Maßnahmen gegen Epilepsie und andere neurologische Erkrankungen" zu ergreifen. Dies ist ein Meilenstein für die Globale Neurologie.
- Global Actions on epilepsy and otherneurological disorders(link is external) (PDF zum Download)
SSA(link is external) hat sich zum Schauplatz für digitale Gesundheitsinnovationen entwickelt, die darauf abzielen, die Gesundheitsversorgung zu stärken, sowohl im Hinblick auf das Patient*innenmanagement als auch im Sinne von Surveillance und Krankheitsprävention. In der Region mit der weltweit größten Krankheitslast und dem größten Mangel an medizinischen Fachkräften sind digitale Gesundheitslösungen/-interventionen zunehmend von Nutzen. Im Projekt „Non-discriminating Access for Digital Inclusion (DigI)(link is external)“ arbeiten wir mit Partnern aus Tansania und Norwegen und gestalten kulturell adaptierte Gesundheitsinformation u.a. für neurologische Erkrankungen.
COVID-19 hat es uns schmerzlich vor Augen geführt. Die Gesundheit des Menschen kann nicht isoliert gedacht werden. Belebte und unbelebte Umwelt umgibt Mensch und Tier und alle drei Komponenten, Mensch, Tier und Umwelt, stehen in unterschiedlichen Wechselbeziehungen. Die Betrachtung dieser Aspekte im Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen ist innovativ und generiert Mehrwert für die Behandlung akut neurologischer Erkarnkung, so wie deren Prävention. Ansätze hierzu werden in der The Lancet One Health Commission diskutiert (siehe dort).
Die neugegründete Unit „Social Science and Global Health“ ist Teil der AG Globale Neurologie und beschäftigt sich mit sozial- und kulturwissenschaftlichen Themen globaler Gesundheit. Komplexe Verbindungen von lokal und global sowie der ständige Fluss von Personen, Tieren, Nahrungsmittel und anderen Ressourcen, Technologien, Innovationen, und kulturellen Werten erfordern heute einen weitgefassteren (One Health) und kreativen Ansatz, um Gesundheitsprobleme zu verstehen und zu lösen. Dies trifft auch für global neurologische Fragstellungen zu. Vor kurzem konnten wir ein EDCTP und GHIT gefördertes Projekt zur Untersuchung der Akzeptanz von Praziquantel bei Kindern in SSA zur Prävention und Behandlung von Bilharziose und deren Eltern zusammen mit europäischen und afrikanischen Partnern einwerben.
Die Neurozystizerkose (NCC) stellt die häufigste helminthische Infektion des zentralen Nervensystems dar und ist in vielen LMICs endemisch. Eine durchgeführte Meta-Analyse zur Prävalenz von NCC in Menschen mit Epilepsie, die 12 Studien hauptsächlich aus Lateinamerika, Indien und Sub-Sahara Afrika umfasste, ergab, dass NCC in fast 30 % der Epilepsiefälle die Ursache war (Ndimubanzi et al. 2010). Die AG Globale Neurologie befasst sich mit der NCC und verwendet eine One Health Herangehensweise, in der sie Mensch-, Tier- und Umweltgesundheit gleichermaßen betrachtet. Hierzu wurde das Gesundheitsnetzwerk CYSTINET-Africa vom BMBF(link is external) eingeworben.
NCC ist nicht nur die Hauptursache für erworbene Epilepsie in LMICs, sondern findet sich zunehmend auch in Regionen wie Europa und den USA aufgrund von Globalisierung und Migration infizierter Menschen. Hierzu ist es wichtig, geeignete Diagnostika zu entwickeln, die im afrikanischen Feld genauso wie im Krankenhaus greifen und bei Menschen und Tieren zum Einsatz kommen. Die AG Globale Neurologie entwickelt hierzu Antikörper und Antigen-Tests in Schnelltestformaten (Point-of-Care) und evaluiert diese im EU und BMBF geförderten Gesundheitsnetzwerk SOLID.
50 Millionen Menschen leiden weltweit an Epilepsie; 80% von ihnen leben in LMICs (WHO 2001), 90% hiervon sind unbehandelt. Zu den häufigsten Ursachen einer Epilepsie in diesen Ländern gehören eine genetische Prädisposition, Fieberkrämpfe in der Vorgeschichte, perinatale Hirnschäden, Kopfverletzungen, zerebrovaskuläre Ereignisse und Infektionen des zentralen Nervensystems. Zu letzteren gehören auch helminthische Infektionen, von denen Taenia solium und Onchocera volvulus in den letzten Jahren in SSA große Aufmerksamkeit genossen. In der AG Globale Neurologie werden diese Infektionskrankheiten im Zusammenhang mit Epilepsie in großangelegten Feldstudien untersucht. Förderungen erhielten wir hierzu von der DFG, dem BMBF und auch der Bill und Melinda Gates Foundation.
Das Kopfnicksyndrom Sub-Sahara Afrikas, das hauptsächlich bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt, ist definiert als ein intermittierender und repetitiver kurzer Tonusverlust der Nackenmuskulatur, der zeitweise auch die oberen Extremitäten und den Rumpf mit einbezieht und zu einem charakteristischen Kopfnicken führt. Das Syndrom gehört zum epileptischen Formenkreis, die Ursache ist bis dato jedoch ungeklärt. In einer unserer Studien haben wir eine umfassende klinische und analytische Beschreibung dieses Syndroms vorgelegt. Onchocera volvulus, der Erreger der Flußblindheit, wird als Ursache im Sinne einer Autoimmunenzephalopathie gehandelt, jedoch auch sehr kontrovers diskutiert. In Kürze werden wir als erste Gruppe eine Langzeitstudie (10 Jahre!) zum Kopfnicksyndrom publizieren.
Diese bietet ein kalibriertes Verständnis aktueller globaler Gesundheitsherausforderungen an der Schnittstelle Mensch, Tier und Umwelt und liefert Empfehlungen, wie dieses Wissen für eine nachhaltig gesunde Zukunft eingesetzt werden kann. Die Veröffentlichung wird für 2022 erwartet. Die "One Health"-Perspektive unterstützt politische Entscheidungsfindung, indem sie transdisziplinäre Methoden und sektorübergreifende Herangehensweisen einbezieht, um die Gesundheit von Menschen, Tieren und ihrer gemeinsamen Umwelt zu verbessern. Die Kommission wird gemeinsam von Prof. Andrea Winkler und Dr. John Amuasi (KNUST, Ghana) geleitet. Um COVID-19 spezifische Themen zu behandeln wurde die COVID-19 One Health Research Coalition gegründet.
Gemeinsam mit Kolleg*innen gründete Prof. Andrea Winkler im Mai 2020 als Reaktion auf die COVID-19 Pandemie oben genannte Koalition zur Bündelung neurologischer Expertise mit Fokus auf LMICs. Im Dezember 2020 umfasste die Koalition mehr als 75 Mitglieder aus 25 Ländern, Tendenz steigend. Die Koalition arbeitet daran, die unmittelbaren und langfristigen Auswirkungen von COVID-19 auf das Nervensystem zu untersuchen und Forschungsstrategien sowohl für COVID-19 als auch für künftige global neurologische Projekte zu etablieren und harmonisieren.
CYSTINET-Africa Konferenz 2019 in Arusha, Tansania
Im November 2019 versammelten sich Experten des Täniose/Zystizerkoseformenkreis in Arusha, nicht nur um die neuesten Forschungsergebnisse zu diskutieren, sondern auch um Entscheidungsträger entsprechend zu informieren. Politiker waren ebenfalls anwesend.
Arbeit im Afrikanischen Feld
In unseren groß angelegten Feldstudien müssen oft hunderte kranke wie gesunde Menschen neurologisch untersucht werden. Am meisten macht die Arbeit mit den Kindern Spaß, die oft sehr genau bei der Sache sind.
Strategie der COVID-19 Neuro Research Coalition
Die Abbildung zeigt den 10 Punkteplan der Koalition. Besonders erwähnenswert ist der Fokus auf Ländern mit Niedrigeinkommen, die Zusammenarbeit mit der WHO und die Anwendung innovativer Konzepte wie z.B. einer One Health Herangehensweise.
Table 1: Potential aims for an inclusive and collaborative global COVID-19 Neuro Research Coalition
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1 | To create a platform for global scientific exchange and networking |
2 | To collaborate and partner with our colleagues in low- and middle-income countries |
3 | To share data and harmonise methodologies and research tools |
4 | To design joint studies, mobilise research funds and publish together |
5 | To establish, where appropriate, and/or to collaborate with already existing research data registries |
6 | To pursue early research translation into policies and politics |
7 | To join forces with national neurological research societies, the European and African Academies of Neurology, the International Child Neurology Association and the World Federation of Neurology |
8 | To collaborate in a multidisciplinary way with other medical and allied disciplines and their respective societies and networks9 |
9 | To team up with the brain health unit and COVID-19 related activities of the WHO |
10 | To pursue in all activities a One Health, gender and equity-based approach, promoting the vision of Universal Health Coverage and the aims of Sustainable Development Goals at large |